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„Infinity War“ – Marvel riskiert alles

Walt Disney Pictures Germany

Walt Disney Pictures Germany

Es war einmal ein kleines Filmexperiment namens „Iron Man“ mit dem Marvel Studios so unfassbar viel Glück hatte, dass es ein kleines Wunder war. Mit einigen Schwächen aber weitaus mehr Stärken haben Kevin Feige und sein Team es geschafft, einen eigenen Filmkosmos aufzubauen: Das Marvel Cinematic Universe. Mit einem nahezu unendlichen Fundus an Charakteren in unzähligen Varianten sowie zugehörigen Storylines ausgestattet, wurde jede Adaption zu einem mindestens soliden Spaß im Kino („Iron Man 2“, „Thor – The Dark Kingdom/World“) oder einem grandiosen Spaß im Kino („Iron Man 3“, „Guardians of the Galaxy“). Dazwischen pendeln sich quirlige Ausnahmen wie „Thor: Ragnarok“ oder „Ant-Man“ und die Vorzeigefilme („Black Panther“, „Avengers“ und „Spider-Man: Homecoming“ (bitte nicht groß diskutieren welcher Film jetzt wieso besser ist und wieso ich falsch liege, darum gehts hier gerade nicht, danke)).

Gerade die Neugeburt von Spidey zeigt, wo die Reise gerade hingeht. Was 2008 begann, hat mittlerweile eine Armee an Fans, die mit Marvel-Filmen aufgewachsen sind. Diese Fans haben mit Tom Holland den eigenen Teenager-Superhelden bekommen, der Spider-Man für ihre Generation, der jetzt mit den alten Helden mitspielen darf. Es ist für Menschen meines Alters vielleicht schwer zu akzeptieren aber „Iron Man“ kam vor  zehn Jahren in die Kinos. 10 Jahre. Meine Güte. ZEHN JAHRE!

In diesen zehn Jahren wurde am Horizont ein Gegner aufgebaut: Thanos. Wie eine Tsunami-Welle, mit kleinen Vorboten (die im Universum verstreuten Infinity-Steine, von ihm beauftragte Schergen, Familienmitglieder und Alliierte) aber ohne direkten Einfluss auf das Geschehen der Helden, die wir kennen lernen durften, bahnte er sich seinen Weg.

Nun ist es soweit „das ambitionierteste Crossover-Event“, so der selbst gewählte Superlativ seitens Marvel, startet in den Kinos und Marvel hat alles aufgeboten, was die Blockbusterschmiede zu bieten hat: Unzählige Stars, die teilweise erst durch ihre Marvel-Figuren zu Ruhm gelangt sind, Special-Effects auf der Höhe der Zeit, bewährte Autoren und Regisseure. Dennoch ist der Eventfilm ein grandioses Risiko. Nicht, was die Kinokasse angeht, der Profit ist so gut wie sicher. Nein, es geht um die anhaltende Befriedigung des Publikums. Marvel verspricht seinen Fans immer aufs Neue aufregende Blockbusterunterhaltung einer neuen Ebene. Obwohl es bislang kaum einen Grund gab, das Erfüllen dieses Versprechens ernsthaft in Frage zu stellen, hört man ob der Anzahl von Alien-Angriffen auf die Erde (je nach Zählart ist Thanos mindestens die dritte, wenn nicht vierte Macht, die sich (unter Anderem) die Erde zum Ziel gemacht hat) vereinzelt Zweifel daran, ob gerade die großen Marvel-Filme künftig mit einem innovativen Plot glänzen werden, oder die so oft zitierte „Marvel-Formel“ solange umrühren, bis sie abgestanden riecht.

Abhilfe soll in Infinity War vor allem die Größe schaffen: Ja, Thanos ist eine epische Bedrohung, auch ohne die Infinity-Steine scheint er ein nahezu unbesiegbarer Gegner mit enormen Ressourcen zu sein. Hat er alle Steine eingesammelt, wird er beinahe omnipotent. Aber ist das allein nicht einfach die Ausrede um so viele Helden zu vereinen? Sogar die Guardians of the Galaxy bis zur Erde zu schleifen? So war es zumindest in der mäßig spannenden Comicvorlage, die tatsächlich nur ihre Vielfalt an Helden und dazugehörigen Konfrontationen in einer Geschichte für sich verbuchen kann.

Aber mal ehrlich: Wegen genau solcher Momente, Kämpfe und Schlachtenmalereien geht man zumindest auch in einen Marvel- und insbesondere in einen Avengers-Film. Der pure Blockbusterspaß ist keine Sünde aber ein wirklich guter Blockbuster braucht eben auch Herz und vielleicht gar etwas Seele (trefft mich, wie ich im Teeladen um die Ecke erkläre, für welche Elemente eines Filmes die Infinity-Steine stehen könnten!).

Es ist nicht überraschend: In Sachen Achterbahnunterhaltung macht Marvel wieder alles richtig. Die Charaktere werden nicht geschont, die Action beginnt, sobald die Logos von der Leinwand verschwinden. Infinity War möchte von Anfang an klar stellen (für alle, die es nicht mitbekommen haben), dass der lila Charakter mit dem Wallnusskinn, der ansonsten Joss Whedon sehr ähnlich sieht, es ernst meint und alle Trümpfe in seiner Hand hält. Die Helden der Erde (und die Guardians) raufen sich mehr oder minder willentlich zusammen und bekämpfen zunächst die Schergen von Thanos, der nicht nur auf der Erde Geschäfte zu erledigen hat. Bei einer globalen Bedrohung wie dieser muss kein Autor in die Trickkiste greifen um Teams zusammenzuführen, das spart Zeit in einem ohnehin schon sehr langen Film.

Lang fühlt er sich aber nicht etwa an, weil es Längen gibt: Im Gegenteil. Das Feuerwerk, das hier auf der Leinwand abgefeuert wird, ist der notwendige Höhepunkt nach zehn Jahren heftigem Flirt mit dem Publikum. Marvel versucht auf allen Ebenen das immer wiederholte Versprechen „Thanos ist unfassbar gefährlich, ‚Infinity War‘ wird episch!“ einzulösen. Dank guter Vorarbeit in den vorherigen Filmen (insbesondere was das Zeichnen der Figuren angeht) und Kampfchoreographien die vermutlich einige CGI-Profis verschlissen haben, gelingt dies auch größtenteils. So viel verlangte Aufmerksamkeit, so viel visuelles Geräusch erschöpft jedoch in dieser Dichte. Kein Kapitalverbrechen, denn schließlich führt es oft dazu, dass leidenschaftliche Kinogänger einen Film mehrfach sehen wollen.

Das Problem, das Risiko und die Gefahr für Marvel ist jedoch der Plot. Niemand erwartet einen Kunstfilm. Aber für so viel Action passiert eigentlich sehr wenig. Wirklich enorm wenig. Der im Vorfeld als Hauptfigur des Films angepriesene Titan Thanos hat weitaus weniger Zeit auf der Leinwand als man erwartet hätte und bleibt in seinen Mitteln und Wegen erstaunlich gradlinig. So staunt man und staunt man, am Ende will man aber natürlich wissen: Moment, es wurde gemunkelt, dass in „Infinity War“ einige wichtige und beliebte Figuren sterben, sprich: ernsthafte, anhaltende Konsequenzen für das MCU! Also hält man die Augen offen und überlegt bei jedem Gefallenen, ob er oder sie wirklich einen Permadeath erfahren hat.

Hier pokert Marvel, denn es gibt mindestens zwei grobe Kategorien von Fans: Comicerfahrene Zuschauer, die auch ein wenig Know-How bezüglich der Wahrscheinlichkeit mitbringen, ob ein Charakter noch einen weiteren Film bekommen wird, oder nicht sowie absolut unerfahrene Zuschauer. Meine These: Wer möglichst wenig Wissen um die Comic-Story und das geschäftliche mitbringt aber eine gute Beziehungen zu den Figuren des MCU hat, wird am meisten Spaß mit diesem Film haben, mitfiebern und sich vielleicht sogar um seine Lieblinge sorgen. Alle anderen sitzen womöglich am Ende im Saal und wollen einfach nur den nächsten Avengers-Film schauen. Marvel hat es in jedem Fall verstanden, die beiden nächsten Filme („Ant-Man and the Wasp“ und der in den 90ern angelegte Film „Captain Marvel“) unter ein faszinierendes Vorzeichen zu stellen. Wie der Plot des nächsten Kapitels der Avengers aussehen wird, kann man nach „Infinity War“ nur mutmaßen.

Das Schwierige für Marvel wird es nicht nur sein, mit dem angelegten einen fruchtbaren Boden für weitere Projekte zu ebnen, sondern auch, niemanden zu enttäuschen. Das mag banal klingen, da dies ja in jedem Franchise eine Grundproblematik ist (der anhaltende Autounfall, der das filmische Universum der DC-Comics sein soll, steht als ewiges Mahnmal bereit um Marvel daran zu erinnern, was man vermeiden sollte) aber kaum ein Film wirft so viele Fragen auf und startet so bodenlos wie dieser. Das gesamte MCU bis zu „Infinity War“ bildet eine relevante Vorgeschichte, während der Film selbst ohne Fortsetzung kaum möglich scheint. Der Flirt, der Tease, das Poker-Spiel von Marvel geht weiter. Dieses Mal heißt es „All in“.

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3 Reaktionen

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  1. Savethestyle says

    Schöner Artikel. :)

    • Herr Hammes says

      <3

  2. Marcolatur says

    Sehr schön.
    Ich schau ihn mir heute auch noch an und hab jetzt noch ein ganz kleines Stückchen mehr Bock drauf.

    Bin gepannt.

    Grüße.
    M